Die 130% Grenze

Wann gilt die 130% Regelung?

Wann gilt die 130% Regelung?

Voraussetzung ist, dass das Fahrzeug auch tatsächlich repariert wird.

Man kann also dann, wenn die ermittelten Reparaturkosten (um bis zu 30 %) höher sind als der Wiederbeschaffungswert, nicht auf Gutachtenbasis abrechnen und die höheren Reparaturkosten fordern.

Bei Abrechnung auf Gutachtenbasis kann nur der Wiederbeschaffungswert abzüglich dem vom Gutachter ermittelten Restwert gefordert werden.

Wer die 130 %-Opfergrenze für sich in Anspruch nehmen will, muss nachweisen, dass er das Fahrzeug vollständig sowie sach- und fachgerecht repariert hat.

Die Vorlage einer Reparaturrechnung ist hierzu nicht erforderlich, bietet sich jedoch im Falle der Reparatur in einer Werkstatt als einfachster Nachweis der Reparatur an. Alternativ können auch Lichtbilder des reparierten Fahrzeugs vorgelegt werden.

Die Opfergrenze gilt nur bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes.

Liegen die Reparaturkosten darüber, können nicht 130 % von der gegnerischen Versicherung verlangt werden.

Vielmehr kann in diesem Fall nur der Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert verlangt werden. Denn in diesem Falle ist das Fahrzeug - auch unter Berücksichtigung der Opfergrenze - nicht mehr reparaturwürdig.

Quelle: verkehrsrecht-heidelberg.de, BGH Z 154, 395 ff., BGH, Urteil vom 15. Februar 2005 - VI ZR 70/04 - OLG Naumburg ,BGH VI ZR 70/04

 

Rechenbeispiel Opfergrenze:

Wiederbeschaffungswert: 10.000 EUR

Reparaturkosten 130%:        13.000 EUR

Restwert:                                  5.000 EUR

Erfolgt die Abrechnung im Rahmen der 130% Regelung, so muss die Versicherung des Unfallgegners für die Schadensumme in Höhe von 13.000 EUR aufkommen.

 

Rechenbeispiel Totalschaden:

Wiederbeschaffungswert: 10.000 EUR

Restwert:                                  5.000 EUR

Erfolgt die Abrechnung nach Totalschadenbasis, so muss die Versicherung des Unfallgegners für die Schadensumme in Höhe von 5.000 EUR aufkommen.

Wiederbeschaffungsaufwand = Wiederbeschaffungswert - Restwert.

Voraussetzungen zur Abrechnung nach 130% Regelung:

- Das Fahrzeug muss tatsächlich repariert werden.

- Das Fahrzeug muss mindestens für 6 weitere Monate genutzt werden.

- Die ermittelten Reparaturkosten sind um bis zu 30 % höher sind als der Wiederbeschaffungswert.

- Das Fahrzeug muss sach und fachgerecht repariert werden.

 

 

 

Schätzung eines zu hohen Wiederbeschaffungswertes durch den Sachverständigen

Urteil des OLG Schleswig vom 08.01.2015 - Geltung des Prognoserisikos bei 130%-Grenze auch bei Schätzung eines zu hohen Wiederbeschaffungswertes durch den Sachverständigen

Das Prognoserisiko, das gilt, wenn Reparaturkosten entgegen der Annahme eines Sachverständigen über 130% des Wiederbeschaffungswertes liegen, besteht auch, wenn ein Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert selbst zu hoch einschätzt.

Aus den Gründen:

. ...Der Schaden in Form der hohen Reparaturkosten ist eine adäquate kausale, zurechenbare Folge des Unfalls. Der Kläger hat sich nämlich in üblicher Weise verhalten, indem er nach dem Unfall zur Entscheidung über das weitere Vorgehen ein Gutachten eines anerkannten Sachverständigen eingeholt und auf dieser Grundlage die danach richtige Entscheidung getroffen hat. Dass es im Rückblick die falsche Entscheidung war, fällt solange voll in die Risikosphäre des Schädigers, wie nicht dem Geschädigten selbst ein Mitverschulden bzw. ein gänzlich untypisches Verhalten anzulasten ist, das den Zurechnungszusammenhang unterbricht. Solche Fälle sind indes hier nicht ersichtlich.. .

Quelle: Urteil des OLG Schleswig vom 08.01.2015, Az.: 7 U 5/14

Reparatur mit Gebrauchtteilen

Urteil des OLG Düsseldorf vom 18.06.2014 zur Zulässigkeit einer Reparatur mit Gebrauchtteilen zur Einhaltung der 130%-Grenze

Die tatsächlichen Reparaturkosten können auch dann verlangt werden, wenn die Reparatur mit Gebrauchtteilen durchgeführt wird und die Kosten innerhalb der 130%-Grenze bleiben.

Aus den Gründen:

. ...Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht keine Bindung des Klägers an die ursprüngliche Schadenskalkulation des DEKRA-Mitarbeiters. Diese ursprüngliche Schätzung legte zwar voraussichtliche Kosten der Reparatur fest, welche einen Wiederbeschaffungswert um mehr als 30% überstiegen. An dieser Schätzung hat indes der Sachverständige selbst nicht festgehalten, sondern in der Schätzung vom 09.05.2012 einen alternativen Reparaturweg für ausreichend erachtet, mit der die 130%-Grenze eingehalten wird. Vor diesem Hintergrund wäre dem Kl. umgekehrt ein Verstoss gegen die Schadensminderungspflicht vorzuwerfen, hätte er an der ursprünglichen Schadenskalkulation festgehalten. Insbesondere wird nicht die 130%-Rechtsprechung "ausgehöhlt".. ..



Quelle: Urteil des OLG Düsseldorf I vom 18.06.2014, Az.: 23 S 208/13

 

Urteil des LG Konstanz vom 23.03.2012 zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten bis 130%-Grenze des Wiederbeschaffungswerts bei fachgerechter Verwendung gebrauchter Ersatzteile

Der Wiederbeschaffungswert ist auch dann zuzüglich eines 30%-igen Integritätszuschlags ersatzfähig, wenn zur Reparatur gebrauchte Ersatzteile ordnungsgemäss eingesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn das Sachverständigengutachten zur Schadensschätzung auf einer Berechnung mit Gebrauchtteilen beruht und eine Verwendung von Neuteilen die 130%-Grenze überschritten hätte.

Aus den Gründen:

...Dem steht nicht entgegen, dass der vorgerichtliche Gutachter die Reparaturkosten von vornherein auf der Basis der Verwendung gebrauchter Ersatzteile ermittelt hat, während eine Kalkulation mit Neuteilen zu Reparaturkosten über der 130%-Grenze geführt hätte.

Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit der den Wiederbeschaffungswert übersteigenden Reparaturkosten ist allerdings, dass die Reparatur vollständig und fachgerecht ausgeführt wurde. Ansonsten ist der Ersatz der Reparaturkosten mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot nicht vereinbar...

Quelle: LG Konstanz, Az.: 11 S 112/11A

Allgemeines nach BVSK

130 % Grenze

Einige Versicherer sind bei der Handhabung der sogenannten 130 % Grenze zunehmend restriktiver. Selbst wenn der Geschädigte sein Fahrzeug hat instandsetzen lassen, werden lediglich Abschlagszahlungen geleistet, mit der Begründung, daß die Vorlage einer Orginalrechnung erforderlich sei.

Derartige Forderungen der Haftpflichtversicherer sind unberechtigt.

Der BGH hat mehrfach, unter anderem in "Versicherungsrecht" 92 S. 61 bzw. NJW 92 S. 16 dargelegt, daß in dem Fall, in dem sich der Geschädigte zur Reparatur entschließt und diese nachweislich durchführen läßt, er die erforderlichen Reparaturkosten verlangen kann, deren Höhe auch auf der Basis eines Sachverständigengutachtens geschätzt werden kann.

Dabei dürfen die Aufwendungen für die Reparatur nicht unverhältnismäßig sein, was immer dann angenommen wird, wenn die verauslagten Reparaturkosten zuzüglich eines etwaigen merkantilen Minderwertes mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Die Möglichkeit der Reparatur, trotz des Vorliegens eines Totalschadens wird mit dem sogenannten Integritätsinteresse des Geschädigten begründet.

Keinen Anspruch auf Ausschöpfen der 130 % Grenze hat der Geschädigte, wenn diese Grenze bereits nach der Prognose des Sachverständigen überschritten wird oder aber die Reparatur überhaupt nicht durchgeführt wird.

In diesen Fällen kann der Geschädigte die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert verlangen.

Der BGH hatte seinerzeit offengelassen, welchen Umfang die tatsächlich durchgeführte Reparatur aufweisen muß, um das Integritätsinteresse des Geschädigten zu begründen. Sämtliche Instanzgerichte haben diese Frage jedoch übereinstimmend beantwortet.

Voraussetzung für die sogenannte 130 % Grenze ist, daß die Reparatur ordnungsgemäß und fachgerecht, das heißt auf der Grundlage nach den Vorgaben der im Gutachten als notwendig erkannten Arbeiten ausgeführt wurde. So z. B. OLG Düsseldorf, NZV 94, 479 oder LG Hamm, NZV 93,432.

Billigreparaturen, die nicht ordnungsgemäß und fachgerecht durchgeführt werden, sind nicht zulässig.

Dabei ist der Geschädigte beweispflichtig dafür, daß die Reparatur ordnungsgemäß und fachgerecht durchgeführt wurde. Nicht erforderlich ist es, daß er die Reparaturrechnung einer Fachwerkstatt vorliegt, sondern es reicht aus, daß er eine qualifizierte Reparaturbescheinigung eines Sachverständigen vorlegt.

Sicher ist, daß der Versicherer keinen Anspruch auf Vorlage der Reparaturrechnung hat, selbst dann, wenn feststeht, daß das Fahrzeug in einer Fachwerkstatt repariert wurde (BGH Versicherungsrecht 89, 1056, lg köln, NZV 90, 119).

Problematisch aus Sicht des Sachverständigen ist die Formulierung der sogenannten Reparaturbestätigung. Alleine eine Bestätigung, daß das Fahrzeug instandgesetzt wurde, reicht häufig nicht aus. Der Sachverständige, der die Bestätigung ausstellt, ist vielmehr gehalten, auch eine Aussage dahingehend zu machen, ob die Reparatur fachgerecht und gemäß den Vorgaben in seinem Gutachten durchgeführt wurde.

Häufig verkannt wird eine weitere Voraussetzung bei der sogenannten 130 % Grenze. Erforderlich ist es, daß der Geschädigte das Fahrzeug weiterhin nutzt bzw. den Nutzungswillen nach außen dokumentiert. Diese Einschränkung ist wichtig für Kfz-Reparaturbetriebe, die sich Ansprüche des Geschädigten auf Totalschadenabrechnung mit 130 % Grenze abtreten lassen und dann zurecht seitens der Versicherung lediglich den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes erhalten. Gerade durch den Verkauf des Fahrzeuges an den Kfz-Reparaturbetrieb macht der Geschädigte nämlich deutlich, daß er überhaupt kein Interesse an der weiteren Nutzung gerade dieses Fahrzeuges hat.

Immer noch wird regelmäßig durch den Versicherer vorgetragen, daß der Integritätszuschlag bei gewerblich genutzten Fahrzeugen nicht möglich ist. Diese Auffassung dürfte zumindest nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 10.03.1997 (SP 97,194) nicht mehr haltbar sein. Zudem hat der BGH den Integritätszuschlag nicht ausdrücklich auf privat genutzte PKW's beschränkt.

Gerade in den Fällen, in denen Fahrzeuge finanziert sind, mit einer Sonderlackierung versehen sind, dürfte jedoch auch bei gewerblich genutzten Fahrzeugen der Integritätszuschlag gerechtfertigt sein.

 

Quelle: Auszüge aus einem Info des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. -BVSK-